Skip to main content

Schichtdienste stellen eine besondere Herausforderung für den Körper und die Seele dar. Sämtliche Organe müssen mitspielen. Sie müssen ihren Betrieb zu unterschiedlichen Zeiten hoch- oder runterfahren – leider gegen ihre sonstigen Tätigkeits-Rhythmen. Auch das Immunsystem leidet. Nicht nur müssen Mitarbeiter im Schichtdienst jahrelang gegen ihren eigenen Biorhythmus und ihre persönlichen Bedürfnisse an arbeiten. Sie müssen auch schlafen können, wenn es der Schichtplan befiehlt. Wer nicht erholt zur Arbeit kommt, macht mehr Fehler. Die Unfallrisiken steigen.

Die historische Entwicklung der Schichtarbeit

In mehreren Schichten in einem wechselnden Schichtsystem arbeiten zu müssen, ist ein neueres Phänomen. Es ist der zunehmenden Industrialisierung zuzurechnen. Maschinen arbeiten aus Sicht der Unternehmer nur dann ökonomisch, wenn sie möglichst viele Stunden am Tag in Betrieb sind. Der arbeitende Mensch musste sich vor etwa 150 Jahren zunehmend umstellen. Viele Betriebe fahren heutzutage Früh-, Mittel- und Spätschichten, um den Arbeitsanfall bewältigen zu können. Das betrifft Atomkraftwerke oder Bestattungsinstitute genauso wie Brauereien, Polizei und Feuerwehr oder das Krankenhauspersonal. Als Minimum werden nächtliche Bereitschaftsdienste eingeführt.

Die Notwendigkeit einer Rund-um-die-Uhr-Überwachung von Mensch und Maschine und die gesteigerte Produktivität angesichts starker Konkurrenten zwangen immer mehr Menschen, in wechselnden Schichten zu arbeiten. Der menschliche Organismus war auf solche Anforderungen aber nicht vorbereitet. Die Evolution des Menschen verläuft langsam, die technische und wirtschaftliche Entwicklung hingegen immer rasanter. Die biologischen Schlaf-Wach-Rhythmen werden von der Lichtintensität gesteuert. Wer als Schichtdienst-Mitarbeiter seinen Dienst tut, schläft durchschnittlich schlechter. Er leidet oft an chronischem Schlafmangel und kann sich weniger gut regenerieren.

Die Folge sind Sekundenschlaf, Aufmerksamkeits- oder Gedächtnisstörungen. Das Risiko für Unfälle am Arbeitsplatz steigt. Schichtarbeiter leiden öfter an Schlafstörungen oder Depressionen. Sie sind häufiger mit Magen-Darm-Problemen, Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen belastet. Das Risiko für eine Diabetes-Erkrankung ist erhöht. Erwiesen ist, dass einige Krebserkrankungen häufiger als üblich bei Schichtarbeitern zu finden sind. Dauernachtschichten gelten laut der „Internationalen Agentur für Krebsforschung“ als krebserregend.

Dass auch das soziale Leben eines Schichtarbeiters eingeschränkt ist, kann jeder nachvollziehen. Wer im Schichtsystem arbeitet, landet häufiger vor dem Scheidungsrichter.

Wechselnde Schichtdienste verhindern gute Schlafqualität

Jeder weiß, dass ausreichend langer und tiefer Schlaf gesundheitsförderlich ist. Im Schlaf regenerieren Körper und Seele. Der Organismus kann wichtige Reparaturarbeiten und Zell-Bereinigungen vornehmen. Die Organtätigkeit läuft im Standby-Modus. Schichtdienst-Mitarbeiter müssen jedoch zu unregelmäßigen Zeiten schlafen können. Mal arbeiten sie in Tages-Schichten, dann wieder schieben sie Nachtschichten. Sie müssen schlafen, auch wenn die Restwelt sich in Geschäftigkeit übt. Sie müssen arbeiten, auch wenn der Organismus nicht darauf eingestellt ist.

Fest steht, dass manche Menschen besser mit Schichtdiensten klar kommen. Man kann Menschentypen in Eulen (Spättypen) und Lerchen (Frühtypen) unterteilen. Eulen und Lerchen sind genetisch unterschiedlich geprägt. Spättypen gehen gerne spät ins Bett. Sie empfinden eine Frühschicht als zu nachtschlafender Zeit beginnend. Mit Spät- und Nachtschichten haben sie weniger Probleme. Für Frühtypen sind Spät- und Nachtdienste herausfordernder. Ein gesundheitsförderliches Schichtsystem gibt es allerdings nicht. Immerhin: Für Schichtdienst-Mitarbeiter erweisen sich vorwärts rotierende bzw. im Uhrzeigersinn verlaufende Schichten als etwas verträglicher.

Unabhängig vom Schlaftyp ist eine Abfolge von der Früh- zur Spätschicht, daran anschließender Nachtschicht und ein oder zwei freien Tagen die beste Lösung. Üblich sind Wechselschichten im Wochenturnus. Der Organismus kann sich daran leichter gewöhnen, als wenn die Schicht alle zwei Tage gewechselt wird. Dennoch gilt: Der ständige Wechsel gegen den eigenen Biorhythmus belastet Körper und Seele stark – und meist über Jahre. Der Vergleich mit chronischen Jetlag-Problemen drängt sich auf.

Wie kann die Schlafqualität trotz Schichtdienst verbessert werden?

Es hat sich für die Schlafqualität als hilfreich erwiesen, wenn die Frühschichten später und die nächtlichen Schichten dafür etwas früher beginnen. Beispiel: die Frühschicht beginnt um sieben Uhr statt um fünf oder sechs. Nachtdienste sollten idealerweise enden, wenn es noch dunkel ist – beispielsweise um fünf. Das schafft aber eine Lücke zwischen Früh- und Nachtschicht. Diese ist für manche Unternehmen oder Kliniken nicht machbar. Auch ein Bereitschaftsdienst für diese zwei Stunden löst das Problem nicht. Die Erfahrung lehrt, dass man dann arbeitet statt zu ruhen. Schlafstörungen und schlechte Schlafqualität sind die Folge solcher Dienstpläne. Wer seine innere Einstellung zum Schichtbetrieb positiv gestaltet, kommt nachweislich besser mit wechselnden Schichten klar.

Die Schlafqualität würde am meisten von einer bedürfnisgerechten Gestaltung des Schichtsystems profitieren. Fakt ist, dass Schichtarbeiter in jungen Jahren besser mit Schlafmangel zurechtkommen, als wenn sie bereits über 50 Jahre alt sind. Als Minimum wäre wünschenswert, dass Unternehmen den Schlaftyp ihrer Mitarbeiter stärker berücksichtigen. Als Lerche würde man demnach besser mit dem Frühdienst klarkommen. Als genetische Eule würde jemand bevorzugt die Spätschicht oder Nachtschichten übernehmen wollen.

Noch besser für den Organismus wäre es, wenn solche Schichten als Dauerschichten statt als Wechselschichten angelegt wären. Wenn jemand dauerhaft Spät- oder Nachtschichten macht, kommt der Organismus damit besser klar als mit ständigen Schichtwechseln.

Die Vermeidung von Schlafstörungen nach Schichtarbeit

Jeder Mitarbeiter, der im Schichtdienst arbeitet, kann eine Menge tun, um trotz Schichtdienst besser zu schlafen. Zum einen sollte er seine innere Einstellung zum Schichtsystem überdenken. Jeglicher Widerstand dagegen baut Stress auf. Stresshormone belasten Seele und Körper. Der Schlaf ist nachweislich schlechter, wenn man dauergestresst ist.

In der Stunde vor dem Zubettgehen sollten alle Blaulicht-Quellen ausgeschaltet werden. Der Grund: Smartphones, LED-Lampen, TV-Geräte, Computer und Notebooks strahlen bis zu 40 Minuten nach. Zudem hinterlässt das bläuliche Licht Reize im Auge, die auch das Gehirn erreichen. Das Einschlafhormon Melatonin bildet sich aber nur im Körper, wenn es dunkel genug ist. Daher ist ein ausreichend abgedunkeltes Schlafzimmer eine sinnvolle Unterstützung. Bevor man ins Bett geht, sollte die Stunde davor ruhig und bei Dämmerlicht verbracht werden.

Mahlzeiten sollten vor der Schlafenszeit in ausreichendem Abstand eingenommen werden. Sie dürfen nicht schwer verdaulich sein. Größere Mengen Fett und Kohlenhydrate sind bekanntlich keine Schlafhelfer. Alkohol sollte ebenso gemieden werden wie anstrengender Sport. Wecker mit beleuchtetem Display sollten nicht in Sichtweite stehen. Wer zur Frühschicht eingeteilt wurde, sollte sich mit hellem Licht, Wechselduschen, Kaffee und Musik wachmachen. Es hilft dem Energiepegel, wenn am Arbeitsplatz kurze „Power-Naps“ von zehn Minuten eingelegt werden – selbstverständlich nur in den Pausen. Das ist aber nicht überall möglich.

Die Verführung, nach Nachtschichten einen Mittagschlaf einzulegen, ist groß. Eine zu lange Mittagsruhe raubt Nachtarbeitern aber den Schlaf gerade zu der Zeit, wo sie sechs oder sieben Stunden am Stück schlafen sollten. Kaffeegenuss oder koffeinhaltige Brausen sollten nach der Arbeit gemieden werden. Während der Schicht können sie hilfreich sein. Doch oft wirkt Koffein lange nach und verhindert schnelles Einschlafen.

Was hilft noch, um besser zu schlafen?

Jeder muss selbst herausfinden, was bei ihm Schlaf verhindert und was diesen befördert. Alle Störfaktoren auszuschalten, gelingt Familienvätern meist nicht. Folgende Punkte könnten aber hilfreich sein:

  • immer zur selben Zeit ins Bett zu gehen
  • ein Zubettgeh-Ritual einzuhalten
  • vor dem Einschlafen zu meditieren
  • vor dem Einschlafen Entspannungsübungen zu machen
  • das Bett zur Wohlfühloase zu gestalten
  • den familiären Geräuschpegel durch Ohrstöpsel abzuschalten
  • Telefone und Türklingeln abzuschalten
  • Gedankenmühlen abschalten zu lernen
  • Melatonin-Spray zu nutzen, wenn sie nach einer halben Stunde noch hellwach sind
  • und das Schlafzimmer zur Schlafenszeit abzudunkeln.

Je nach Schichtfolge können weitere Maßnahmen addiert werden. Nicht nur die Nachtruhe sollte besser vorbereitet werden. Auch der Tag sollte anders geplant und gestaltet werden. Wer in Schichten arbeitet, beeinträchtigt die gesamte Familie mit seiner Schichtfolge. Wenn Frühschichten anstehen, sollten vorherige Tagesaktivitäten angepasst und vorverlagert werden. Ein Mittagsschlaf ist eher hinderlich. Spätschichten entsprechen unserer genetischen Disposition eher als andere Schichten. Wer kann, sollte in dieser Zeit versuchen, fehlenden Schlaf nachzuholen. Vorzuschlafen, klappt hingegen kaum.

Nachtschichten strapazieren den Organismus am meisten. Körper und Geist sind auf Schlaf eingestellt, doch Beschäftigte müssen trotzdem voll konzentriert sein. Manchem hilft es, vor Schichtbeginn zwei Stunden zu schlafen. Wer in den Pausen kleine „Power-Naps“ nutzen kann, ist konzentrierter. Koffeindosen sollten nur zu Beginn der Schicht genutzt werden. Mehrere kleine Mahlzeiten sind geeigneter. Sie sollten möglichst vitalstoffreich und leicht verdaulich sein. Erfahrungsgemäß erleben die meisten Nachtschichtler um Mitternacht einen Leistungsabfall. Zu diesem Zeitpunkt sollte eine Pause gemacht, und eine warme Mahlzeit eingenommen werden.

Je heller das Licht am Arbeitsplatz ist, desto leichter bleibt ein Schicht-Arbeiter wach. Gegen Ende der Arbeitszeit sollte die Helligkeit aber reduziert werden, um die Schlafbereitschaft zu fördern. Ob das immer möglich ist, ist eine andere Frage. Beim Verlassen der Firma kann eine dunkle Sonnenbrille hilfreich sein. Damit sollten Nachtarbeiter aber nicht mehr Auto fahren. Oft ist man nach nächtlicher Arbeit übermüdet und unkonzentriert. Zuhause sollte man umgehend schlafen gehen. Eine Schlafdauer von fünf Stunden plus zwei Stunden vor dem nächsten Nachtdienst ist ideal.

Die Schlafrhythmen und die Bedürfnisse an die tägliche Schlafdauer sind aber individuell unterschiedlich. Sie können sich zudem mit zunehmendem Lebensalter verändern – in die eine oder andere Richtung. Wichtig ist, dass Schichtarbeiter den Schlaf nicht zwingen können. Man kann als Schichtarbeiter nur die Schlafbereitschaft erhöhen und das Umfeld so gestalten, dass erholsamer Schlaf möglich wird.

Was ist von Schlafmitteln und Stimulanzien zu halten?

Viele Schichtarbeiter trinken im Dienst Unmengen Kaffee und Cola, um wach zu bleiben. Als Folge erleben sie oft genug Schlafstörungen. Manche leiden auf Dauer an chronischem Schlafmangel. Als junger Mensch steckt man das Schlafdefizit noch weg. Doch spätestens mit Mitte vierzig klappt das nicht mehr.

Das Koffein in Cola, Kaffee, Grün- oder Schwarztee wirkt bei jedem unterschiedlich lange. Wer schon seit Jahren Unmengen Kaffee konsumiert, gewöhnt sich daran, dauerhaft einen hohen Koffeinpegel zu haben. Andere Menschen sind deutlich empfindlicher gegenüber schichtbedingtem „Koffein-Doping“. Die längste Nachwirkung dürften alle Guarana-haltigen Szenegetränke haben. Damit stehen Energy-Drinks mit Guarana-Gehalt nicht als sinnvolle Wachmacher im Raum. Sie wirken vielmehr als effektive Schlafverhinderer.

Schlaftabletten wirken bei täglicher Einnahme kontraproduktiv. Sie können abhängig machen und haben Nebenwirkungen. Zudem fühlt mancher sich auch bei Schichtbeginn noch müde. Besser ist es, bei Einschlafproblemen Baldrian-Präparate oder Melatonin-Spray zu nutzen. Noch besser wäre es, wenn nichts davon täglich notwendig wäre. Als gelegentliche Nothelfer sind beide aber in Ordnung. Melatonin-Kapseln sind hochdosiert. Sie erweisen sich nur bei Jetlag-Problemen als sinnvoll. Melatonin ist ein körpereigenes Hormon. Es sollte nur von älteren Menschen jenseits der 55 Jahre genutzt werden. Die TV-Werbung suggeriert allerdings anderes.

Gesunde Erwachsene im Alter zwischen 20 und 55 Jahren bilden bei Dunkelheit genug körpereigenes Melatonin. Alte Menschen haben einen Mangel daran. Wer in jüngeren Jahren dauerhaft Melatonin-Spray nutzt, um nach der Arbeit schneller einschlafen zu können, muss mit Schwindelattacken und Konzentrationsproblemen rechnen. Entspannungsübungen, beruhigende Musik oder Traumreisen unterstützen die Schlafbereitschaft gesundheitsverträglicher. Manche Menschen trinken vor dem Einschlafen eine Tasse Kräutertee mit schlaffördernden Zutaten. Damit steigt aber die Wahrscheinlichkeit, nachts austreten zu müssen.

Gegen rezeptpflichtige Stimulanzien oder Drogen sprechen viele Dinge – vor allem das Abhängigkeitspotenzial. Drogen beeinträchtigen das Leistungsvermögen. Sie kosten Konsumenten am Ende auch die Arbeitsfähigkeit. Das gilt auch für Marihuana, das als weiche Droge gilt. Inwieweit das medizinisch nutzbare CBD als dauerhafte Einschlafhilfe nützlich ist, ist bisher nicht geklärt. Der mediale Hype um CBD suggeriert, dass es ein Alleskönner sei. Gesunde Skepsis ist angebracht – zumindest bis seriöse Langzeitstudien mit ausreichenden Probandenzahlen zum Thema Schlafförderung vorliegen.


Photo by Hush Naidoo Jade Photography on Unsplash